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Atypische und kreative Bildungswege im IT-Bereich

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Mit neuen Wegen in neue Berufe sowie deren Chancen und Risiken  hat sich die Enquete-Kommission »Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt« in einer öffentlichen Anhörung beschäftigt. In der ersten Sitzung des Jahres ging es um atypische, kreative Bildungswege, vor allem mit Blick auf den IT-Bereich.

»Private Anbieter bieten Qualifizierungen oder Qualifizierungsbausteine mit eigenen Systematiken an, die wie berufsähnliche Abschlüsse - jenseits des bisherigen deutschen Ordnungsrahmens der Berufswege - wirken«, sagte der Vorsitzende der Kommission, Stefan Kaufmann (CDU). Die Kommission wolle daher klären, wie diese Entwicklungen zu bewerten seien und wie solche Zertifizierungen durch Politik, Verbände und Sozialpartner im Berufsbildungssystem eingeordnet, dokumentiert und auch validiert werden könnten.

Carsten Johnson von der Cisco Networking Academy betonte, dass Beschäftigte und Auszubildende über alle Branchen und berufliche Handlungsfeldern hinweg digitale Kompetenzen erwerben müssten, um handlungs- und gestaltungsfähig zu sein und zu bleiben. Das berufliche Bildungssystem stoße mit der Digitalisierung an Grenzen, was etwa die Fähigkeit, technische Innovationen zeitgerecht zu adaptieren, betreffe. Einen Ausweg könnten digitale Lernwerkzeuge und Plattformen bieten, durch die »Lerninhalte, handlungsorientierte Übungsaufgaben und Simulationsmedien schnell, effektiv, ortsungebunden und effizient« verbreitet werden könnten. Ein solches agiles Bildungselement sei das Cisco Networking Academy-Programm, das auf Industrieniveau bildungsbegleitend zur Verfügung stehe. Damit sei man bereits an vielen Berufsschulen und Bildungseinrichtungen in Deutschland vertreten.

Andreas Oehme vom Westdeutschen Handwerkskammertag, Leiter des Projektes ValiKom, berichtete vom Stand des Projektes des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Dachverbände der Handwerks- und Industrie- und Handelskammern. Der Markt in Deutschland zeige »sehr viele Kompetenz-Feststellungsverfahren mit sehr unterschiedlichen Zielrichtungen«, sagte er. Validierungsverfahren seien gut geeignet, um Brücken zum formalen Bildungssystem zu schlagen, und könnten ein motivierendes Instrument sein. Für das Projekt ValiKom gelte, dass es vor allem von Menschen ohne Berufsabschluss mit mehrjähriger Berufserfahrung, Personen mit Berufsabschluss, die aber nicht mehr in ihrem erlernten Beruf tätig sind, und Personen, die im Ausland einen Berufsabschluss erworben haben, der aber in Deutschland nicht durch das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz anerkannt werde, genutzt werde.

Das in diesem Projekt entwickelte und erprobte Validierungsverfahren bewerte und zertifiziere die vorhandenen beruflichen Kompetenzen einer Person im Vergleich zu einem formalen Berufsabschluss. Das Durchschnittsalter liege bei etwa 39 Jahren, die Zielgruppe sei oberhalb der Altersgrenze von 25 Jahren definiert, denn die Berufsausbildung bleibe der Königsweg, betonte Oehme. Er plädierte, eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, dass die für Berufsprüfungen zuständigen Stellen, die das Vertrauen der Arbeitsmarktakteure hätten, auch für die Durchführung von Validierungsverfahren zuständig werden.

Wie die Situation sich aus wissenschaftlicher Sicht gestalte, berichtete Eckart Severing (Institut für Pädagogik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg). Es gebe nicht nur bei den IT-Berufen disruptive Veränderungen bei den Anforderungen und den Berufsbiographien, sagte Severing. Besonders die Neuordnungsverfahren seien starr und manchmal zu träge und es fehle an flexiblen Ausbildungsbausteinen. Die Verfahren bei den Industriezertifikaten seien sehr langwierig und bei der Ausbildung gebe es ein sehr geschlossenes System der Beruflichkeit, kritisierte Severing. »Nicht über eine formale Qualifikation zu verfügen, bedeutet nicht, unqualifiziert zu sein«, betonte er. Wichtig sei die Dokumentation und Anerkennung informell erworbener Kompetenzen.

Severing sprach von einem »gewaltigen Schatz« an Ressourcen, der dadurch gehoben werden könne. Verfahren zur Sichtbarmachung und Anerkennung informell erworbener Kompetenzen existieren fast nur auf der Ebene von Projekten, sagte er. Es brauche allerdings mehr Verbreitung und Zugänglichkeit, eine Standardisierung und den Anschluss an das Berufssystem sowie eine verbindliche Anerkennung über einen Rechtsstatus im Bildungssystem. Gerade im Wettbewerb mit agileren Volkswirtschaften können dies entscheidende Faktoren sein.

  (14.01.2020, prh)

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