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OECD legt »Bildung auf einen Blick 2014« vor

OECD

In Deutschland erwerben so viele junge Leute wie noch nie einen tertiären Abschluss, etwa an einer Hoch-, einer Fachschule oder als Meister. Gleichzeitig wächst der Anteil an Hochgebildeten OECD-weit in kaum einem anderen Land so langsam wie hier. Das geht aus der jüngsten Ausgabe des OECD-Berichts »Bildung auf einen Blick« hervor, der heute in Brüssel und in Berlin vorgestellt wurde. Danach verfügen in Deutschland 28 Prozent der 25- bis 64-Jährigen über einen Tertiärabschluss, im Durchschnitt der OECD sind es 33 Prozent.

Schaut man auf den Unterschied zwischen den Generationen fällt auf, dass in fast allen betrachteten Ländern die 25- bis 34-Jährigen einen weit höheren Anteil an formal hochgebildeten Menschen haben als die 55- bis 64-Jährigen. Im OECD-Schnitt liegen zwischen Jüngeren und Älteren 15 Prozentpunkte. Deutschland ist neben Israel und den Vereinigten Staaten eines von nur drei Ländern, bei denen im Laufe einer Generation kein wesentlicher Zuwachs zu erkennen ist.

Dies ist vor allem deshalb bedenklich, weil sich die soziale Kluft zwischen gut und weniger gut ausgebildeten Menschen in den vergangenen Jahren erheblich vertieft hat: So ist die Arbeitslosigkeit im OECD-Raum seit der Jahrtausendwende bei Geringqualifizierten mit einer Ausbildung unterhalb des Sekundarbereichs II (weder Abi noch Berufsausbildung) bedeutend stärker gewachsen als bei Mittel- oder Hochqualifizierten. In Deutschland gingen die Erwerbslosenquoten im gleichen Zeitraum zwar für alle Bildungsstufen zurück, mit 12,8 Prozent sind aber noch immer weit mehr Menschen mit geringer Ausbildung ohne Job als in höheren Bildungsstufen (Sekundar II: 5,3%; Tertiär: 2,4%).

Mindestens ebenso stark ins Gewicht fällt der Unterschied zwischen den Einkommen der verschiedenen Bildungsstufen. Im OECD-Durchschnitt hat sich der Einkommensvorteil, den tertiär gebildete Berufstätige gegenüber Menschen ohne entsprechenden Abschluss haben, von 51 Prozent im Jahr 2000 auf 59 Prozent erhöht. In Deutschland ist die Lücke noch ausgeprägter: 2012 verdienten Hochqualifizierte 74 Prozent mehr als Erwerbstätige, die nach der Realschule oder dem Gymnasium weder zur Uni noch zur Fach(hoch)schule oder in einen Meisterkurs gegangen waren. Im Jahr 2000 hatte dieser Vorsprung erst bei 45 Prozent gelegen.

Brisant ist die Einkommensentwicklung vor allem in der unteren Hälfte des Lohnspektrums. Setzt man das durchschnittliche Einkommen von 25- bis 64-Jährigen mit Abitur oder Berufsschulabschluss (Sekundarbereich II) auf einem Index gleich 100, so lag das Einkommen von Erwachsenen ohne einen solchen Abschluss im Jahr 2000 im OECD-Durchschnitt bei 80 und ging bis 2012 auf 76 zurück. In Deutschland verringerte sich der Abstand zwischen Einkommen der mittleren und der untersten Bildungsstufe im gleichen Zeitraum zwar etwas, allerdings eher, weil sich die Lage der mittelgut Qualifizierten und Verdienenden jener mit niedrigem Verdienst und niedriger Qualifikation annäherte. Der Bericht sieht hier die Gefahr einer »Aushöhlung der Mitte«.

»Deutschland erzielt bei vielen Indikatoren des diesjährigen Bildungsberichts gute Ergebnisse. Bei genauerem Studium der Daten stellt sich allerdings heraus, dass die schönen Durchschnittswerte nur die halbe Wahrheit erzählen«, sagte Heino von Meyer, Leiter des OECD Berlin Centres, bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. »Gerade für Schüler aus sozial schwachen Familien bleibt das Versprechen ‚Aufstieg durch Bildung' häufig in weiter Ferne. Dabei kann kaum etwas Menschen besser aus Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung herausführen als Bildung. Für eine Gesellschaft ist das vielleicht die größte Herausforderung: Durch Bildung soziale Mobilität zu fördern«.

Insgesamt ist die Bildungsmobilität in Deutschland so gering wie in kaum einem anderen OECD-Land: 58 Prozent aller Erwachsenen zwischen 25 und 64 Jahren haben den gleichen formalen Bildungsstand wie ihre Eltern, 24 Prozent sind besser ausgebildet und 18 Prozent bleiben hinter den Qualifikationen ihrer Eltern zurück. Unter den jungen Erwachsenen bis 34 Jahre ist der Trend jedoch umgekehrt: Hier sind nur 19 Prozent höher gebildet als ihre Eltern, 24 Prozent haben einen niedrigeren Abschluss.

Noch immer hängt die Wahrscheinlichkeit einer hohen Qualifikation stark vom familiären Hintergrund ab. Im OECD-Durchschnitt haben in der Altersgruppe 35 bis 44 zwei Drittel der Erwachsenen mit hochgebildeten Eltern auch einen Tertiärabschluss, aber nur ein Viertel derer, bei denen die Eltern niedrig (unterhalb Sekundarstufe II) gebildet waren. An dieser Verteilung ändert sich auch in der jüngeren Altersgruppe zwischen 25 und 34 kaum etwas. In Deutschland gehen Kinder von hochqualifizierten Eltern mit einer mehr als doppelt so großen Wahrscheinlichkeit an die Uni, Fachhochschule oder in Meisterklassen wie Kinder von Mittel- und Niedriggebildeten.

Wo soziale Mobilität durch Bildung wenig verbreitet ist, sind aber nicht nur die Chancen für ein erfülltes Leben des Einzelnen geringer. Der Bericht zeigt auch, dass Länder, in denen die Kompetenzen zwischen den Menschen gleichmäßig verteilt sind, wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile haben. In ihnen ist das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf höher und die Einkommensungleichheit niedriger als in Ländern, deren Bevölkerung im Mittel zwar ähnlich qualifiziert ist, in denen die Kompetenzen aber ungleicher verteilt sind.

»Eine offene Gesellschaft benötigt ein Bildungssystem, das das Lernen aller fördert«, sagte OECD-Vertreter Heino von Meyer. »In Deutschland hat der Bildungsaufschwung bisher nur bedingt zu einer besseren sozialen und ökonomischen Teilhabe bildungsferner Schichten beigetragen. Die Politik darf sich nicht auf dem Erreichten ausruhen. Gerade der internationale Vergleich macht klar, dass es anderen Ländern besser gelingt, das Bildungsniveau ihrer Bevölkerung über alle Gruppen hinweg zu heben«.

Hintergrund
Bildung auf einen Blick 2014 bietet Daten zu den Strukturen, der Finanzierung und der Leistungsfähigkeit von Bildungssystemen aus 34 OECD-Ländern sowie einer Reihe von Partnerländern. Mit mehr als 150 international vergleichbaren Indikatoren ist der Bericht das umfangreichste Kompendium zur Bildung weltweit.


(09.09.2014, prh )

siehe auch: Ländernotizen Deutschland (PDF, 13 Seiten)

Zum Gesamtbericht (PDF, 729 Seiten)

BMBF-Artikel »Deutschland bildet sich«

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