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IG Metall: Arbeitgeber müssen Weiterbildung fördern

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Mit ihrer Kampagne Revolution Bildung tritt die IG Metall Jugend für ein besseres, gerechteres Bildungssystem ein, mit einem Recht auf Weiterbildung für alle. Auf dem Jugendaktionstag am 27. September wollen Tausende dafür demonstrieren. Ein Interview mit Christiane Benner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.

Wo liegen denn die grundsätzlichen Mängel in unserem Bildungssystem? Und was sind die Ziele der Revolution Bildung?

Christiane Benner: Die IG Metall Jugend hat sich in einem langen Prozess auf vier Kernforderungen verständigt. Die Bildungssituation in Deutschland erfordert, dass die Weichen neu gestellt werden. Nichts Geringeres fordert die IG Metall Jugend. Zum einen gibt es keine Chancengleichheit. Kinder mit Eltern, die keine Akademiker sind, haben es viel schwerer aufzusteigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie einmal studieren, liegt statistisch bei 23 Prozent - im Gegensatz zu Akademikerkindern, von denen rund drei Viertel studieren. Zudem sind 273.000 Schulabgänger im letzten Jahr ohne Ausbildungsplatz geblieben. Und auch bei der Weiterbildung sind die Chancen ungleich verteilt: 57 Prozent der Beschäftigten bekommen keine ausreichenden Angebote zur Qualifizierung von ihrem Betrieb. Das hat unsere Beschäftigtenbefragung unter mehr als 500.000 Arbeitnehmern aufgedeckt. Wir brauchen jedoch ein Bildungssystem, das den Menschen so lange wie möglich alle Chancen offenhält. Aber Bildung ist für uns noch mehr: Sie soll auch die Entfaltung der Persönlichkeit ermöglichen.

Bildung soll auch die Entfaltung der Persönlichkeit ermöglichen? Wieso das?

Das ist doch der Grundpfeiler unserer Demokratie: Menschen, die Zusammenhänge begreifen, die kritisch denken und fragen können. Doch in der Realität zielt unser Bildungssystem immer mehr auf möglichst schnelle wirtschaftliche Verwertbarkeit. Die Studierenden etwa stehen unter einem unglaublichen Zeitdruck. Eine Vorlesung oder ein Buch einfach so aus Interesse, oder gar politisches Engagement, sind kaum noch möglich. So geht das alles nicht weiter. Wir müssen unser Bildungssystem grundlegend erneuern. Wir brauchen mehr Geld und mehr Zeit für Bildung, damit alle die Chance auf Ausbildung, Weiterbildung und persönliche Entfaltung bekommen.

Wie soll die grundlegende Erneuerung des Bildungssystems aussehen? Was will die IG Metall genau angehen?

Bei der Berufsausbildung ist erkennbar, dass wir als IG Metall mit unseren Experten aus den Betrieben Berufe praxisnah und mit hoher Qualität mit gestalten. Wir haben Tarifverträge für Azubis. Und unsere Betriebsräte und Jugend- und Auszubildendenvertreter haben Mitspracherecht in den Betrieben. Wir haben uns in den letzten Jahren erfolgreich gegen Angriffe der Arbeitgeber auf die duale Ausbildung und gegen verkürzte zweijährige Schmalspurausbildungen eingesetzt. Schlecht ist, dass die Arbeitgeber das Angebot an Ausbildungsplätzen 2013 abermals zurück gefahren haben. Bei den Studierenden und bei der Weiterbildung haben wir enormen Handlungsbedarf.

Studium und Weiterbildung sind also die größten Baustellen. Wo hapert es denn genau? Und wo kann und will die IG Metall konkret etwas tun?

Etwa bei den dual Studierenden, die ihre Ausbildung sowohl an der Hochschule als auch im Betrieb absolvieren. Wir haben mittlerweile über 60.000 dual Studierende in über 1.000 dualen Studiengängen, an deren Ausgestaltung wir eben nicht beteiligt sind. Auch für sie muss die Qualität ihrer Ausbildung garantiert sein. Deshalb wollen wir auch für die dual Studierenden einen Tarifvertrag. Wir sehen nicht ein, warum die Arbeitgeber über die Arbeitsbedingungen nach Gutsherrenart einseitig bestimmen sollen. Bislang gibt es einige betriebsbezogene tarifliche Regelungen für dual Studierende, was ein guter Anfang ist. Und wir wollen eine Studienförderung, die höher als die bisherige BAföG-Leistung ist, die nicht zurückgezahlt werden muss und die unabhängig vom Einkommen der Eltern ist. Die jüngste Erhöhung um 65 Euro ist ein wichtiger Schritt, aber bleibt hinter unseren Forderungen zurück.

Und schließlich gibt es bei der Weiterbildung jede Menge Handlungsbedarf. Die meisten können es sich nicht leisten können, auf eigene Faust für eine Fortbildung aus dem Betrieb herauszugehen. Das hat auch eine Umfrage ergeben, die die IG Metall Jugend Anfang des Jahres unter tausenden Azubis, Studierenden und jungen Beschäftigten in den Betrieben gemacht hat. Das kann doch nicht sein. Die Unternehmen wollen Fachkräfte. Also müssen sie auch die Weiterbildung fördern. Wir fordern deshalb, dass sich die Arbeitgeber beteiligen, indem sie ihre Beschäftigten für Weiterbildung freistellen und die Kosten tragen. Zudem darf nicht allein der Arbeitgeber entscheiden, welche Weiterbildung er fördert. Wir wollen eine Mitsprache für die Beschäftigten.

Eine bezahlte Freistellung für Weiterbildung - oder »Bildungsteilzeit«. Wie stellt sich die IG Metall Jugend denn die Umsetzung vor?

Zum einen fordern wir dazu gesetzliche Regelungen: eine Reform des Berufsbildungsgesetzes. Die neue Studienförderung, über die ich bereits gesprochen habe. Und wir brauchen endlich ein Weiterbildungsgesetz. Ich finde es absurd, dass es in einem Land dessen Wirtschaft derart auf qualifizierte Arbeit angewiesen ist, noch keinerlei rechtliche Regelung zur Weiterbildung gibt. Wir brauchen endlich ein Recht auf Weiterbildung für alle. Und schließlich brauchen wir dazu auch eine tarifliche Regelung. Ähnlich wie bei der Altersteilzeit, bei der ja nicht nur die Arbeitnehmer sondern auch die Arbeitgeber Zeit und Geld einbringen.

In der Öffentlichkeit wird die IG Metall ja eher als Tarifmaschine gesehen, die sich um Löhne und Arbeitsbedingungen kümmert. Warum nun eine Kampagne zum Thema Bildung?
Die IG Metall hat bereits zahlreiche qualitative Regelungen getroffen. Eine befristete Übernahmeregelung für Azubis gab es beispielsweise schon lange in unseren Tarifverträgen. Nach der »Operation Übernahme« steht die unbefristete Übernahme seit 2012 in unseren Tarifverträgen. Bildung entscheidet über berufliche und persönliche Entwicklungsperspektiven und hat in der IG Metall einen hohen Stellenwert. Ob in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit oder der beruflichen Bildung. Wir haben doch eine Tradition als Bildungsgewerkschaft. Unser historischer Ausgangspunkt waren die Arbeiterbildungsvereine im 19. Jahrhundert. Damals war Bildung noch kein allgemeines Menschenrecht, sondern ein Vorrecht der Reichen und Mächtigen. Arbeiter und Handwerker haben jedoch bereits damals erkannt: Bildung ist der Schlüssel zu einem besseren Leben. Daran knüpfen wir mit unserer Revolution Bildung an.

QUELLE: IG Metall
Wiedergabe des Interviews mit freundlicher Genehmigung der IG Metall-Pressestelle


(25.09.2014, prh)

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