Erste umfassende Studie zur Lehrerfortbildung in Deutschland
Die GEW hat eine Studie beauftragt, bei der rund 10.000 Lehrkräfte-Fortbildungen in Baden-Württemberg untersucht wurden. Mit der Analyse stellt die Bildungsgewerkschaft Daten bereit, wie die Qualität in den Schulen weiterentwickelt werden kann.
Zum ersten Mal in Deutschland gibt es für ein Bundesland eine größere Analyse der Fortbildungsangebote für Lehrkräfte. Im Auftrag der Bildungsgewerkschaft GEW wurden 10.588 Fortbildungen für die etwa 120.000 Lehrkräfte von Forschern der Universität Tübingen untersucht. Die Daten über alle staatlichen Fortbildungsangebote von August 2016 bis Juli 2017 geben den Bildungspolitikern in Baden-Württemberg die Chance, die erheblichen Defizite zu beheben und gezielter in die Qualitätsentwicklung der 4.500 Schulen zu investieren.
»Die Ergebnisse liefern eine wichtige Grundlage für die laufende Neustrukturierung der Schulverwaltung und geben auch Hinweise für schnelle Verbesserungen, die nicht von den langfristigen strukturellen Veränderungen des Qualitätskonzepts aus dem Kultusministerium abhängig sind. Eine bessere und systematischere Qualifizierung der Fortbildner könnte sofort starten und die Zulage von 38,81 Euro monatlich für einen Großteil der Fortbildner ist ein Witz. Die Studie zeigt an vielen Stellen: Die grün-schwarze Landesregierung als Arbeitgeber von 120.000 Lehrkräften nimmt ihre Verantwortung für eine gute Qualifizierung ihrer Beschäftigten nicht wahr«, sagte Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg, in Stuttgart.
Die Studie wurde durch die Tübinger Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Colin Cramer, Karen Johannmeyer und Dr. Martin Drahmann verantwortet und zuerst Experten aus dem Kultusministerium, der Schulverwaltung und der Wissenschaft vorgestellt. Am 13. Februar findet dazu eine Tagung statt.
Neben der Analyse der 10.588 Fortbildungsangebote wurden 865 Lehrerinnen und Lehrer mit Fragebogen zu der von ihnen jeweils aktuell besuchten Fortbildung befragt und ausführliche Interviews mit Verantwortlichen der Institutionen der Lehrerfortbildung geführt.
Die Teilnehmenden sind zu 89 Prozent zufrieden mit den besuchten Fortbildungen. Die meisten Fortbildungen sind von kurzer Dauer (halbtägig, eintägig) und daher von geringer Nachhaltigkeit. Viele Fortbildungsangebote haben keinen expliziten Bezug zu einem Schulfach oder einer Schulart und es ist selten gesichert, wie die Fortbildungsinhalte innerhalb der Lehrerkollegien weitergegeben werden. Die Bezahlung der Fortbildenden erfolgt in Abhängigkeit von der Schulart sehr unterschiedlich und auch die finanziellen Mittel für Fortbildungen werden ungleich auf die Schularten verteilt, so einige Ergebnisse der Studie.
»Auffällig ist auch, dass es für aktuelle Herausforderungen, vor denen die Schulen stehen, oft keine oder zu wenige Qualifizierungsangebote gibt. Kultusministerin Susanne Eisenmann spricht auf jeder Veranstaltung über die schlechten Rechtschreibkenntnisse der Schülerinnen und Schüler, in den wenigen Fortbildungsangeboten zur Didaktik der Rechtschreibung müssen aber regelmäßig Lehrkräfte abgewiesen werden, die sich gerne weiter qualifizieren möchten«, so die GEW-Chefin. Die GEW nennt auch die Themen Klassenführung, Diagnostik, Heterogenität und Begleitung von Schulteams, für die es zu wenige Angebote gibt.
Grüne und CDU: 500.000 Euro weniger für Lehrerfortbildung
Bundesweit sind nach einer im Herbst 2018 vorgestellten Studie die Ausgaben für Lehrerfortbildung zwischen 2002 und 2015 um zehn Prozent gesunken, während die Ausgaben der Länder für die Schulen um 36 Prozent gestiegen sind. Unternehmen geben im Durchschnitt dreimal so viel Geld für Fortbildungen aus wie die Landesregierungen für ihre Lehrkräfte.
»Ein guter Schritt für ein Qualitätskonzept an Schulen wäre es, wenn Grüne und CDU als ersten Schritt die Kürzung der Gelder für Lehrerfortbildung um 500.000 Euro aus dem Jahr 2017 rückgängig machen würden. Jede Woche erleben Lehrkräfte, dass sie nicht an Fortbildungen teilnehmen können, weil Plätze fehlen. Für das Qualitätskonzept und den Umbau der Schulverwaltung gibt es Geld, aber nicht für bessere Qualifizierungsangebote. Neue Strukturen garantieren keine bessere Qualität. Es ist bisher nicht erkennbar, wie die Reform zu besseren Ergebnissen führen soll, wenn Grün-Schwarz dafür nicht mehr investieren will«, sagte Moritz.
4.300 der 10.588 Angebote dauerten nur zwei bis drei Stunden und finden meist am Nachmittag nach dem Unterricht statt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass diese kurzen Fortbildungen kaum wirken. »Wir brauchen Fortbildungen, die nachhaltig wirken. Es gibt auch kaum Fortbildungen, bei denen ganze Teams kontinuierlich qualifiziert werden. Dafür brauchen wir mehr Zeit und diese Zeit kostet Geld. Die Landesregierungen haben in der Vergangenheit, wie zuletzt auch die aktuelle Landesregierung, immer Fortbildungsmittel gekürzt, anstatt in die Qualifizierung zu investieren«, so die Landesvorsitzende.
Bei den meisten Fortbildungen erhalten die Leitungen derzeit nur 38,81 Euro brutto pro Monat zusätzlich. Deshalb ist es oft schwer, dafür qualifizierte Personen zu finden, die Fluktuation ist groß. Die GEW setzt sich dafür ein, dass in allen Schularten der Beruf des Fortbildners attraktiv gestaltet wird und alle Fortbildner wie im Bereich der beruflichen Schulen und Gymnasien nach der Besoldungsgruppe A 15 bezahlt werden.
Die GEW hat auch Vorschläge für schnell wirkende Maßnahmen: »Jeder weiß, dass zum Beispiel der hohe Anteil von fachfremdem Unterricht insbesondere in den Grundschulen für schlechte Ergebnisse in Mathematik und Deutsch mitverantwortlich ist. Das ließe sich schnell ändern, wenn das Kultusministerium sich nicht wie in den vergangenen zehn Jahren weiter weigert, hier Fortbildungen anzubieten«, sagte Moritz.
Hohe Motivation der Lehrkräfte vorhanden
Das Kultusministerium hat das Forschungsvorhaben genehmigt und die Daten zur Verfügung gestellt. »Wir werten das als Zeichen, dass die Ergebnisse der von der GEW initiierten Studie ernsthaft in die Bildungspolitik sowie in die Arbeit des neuen Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung und des Instituts für Bildungsanalysen einfließen werden. Was das Forscherteam um Colin Cramer geleistet hat, wäre eine Pflichtaufgabe für die Kultusverwaltung, damit im Interesse der Lehrkräfte und damit der Schülerinnen und Schüler und Eltern in Zukunft systematischer für gute Fortbildung gesorgt wird. Für gute Schulen brauchen wir die besten Fortbildungsangebote«, so die GEW-Chefin.
Die Studie zeigt die hohe Motivation der Lehrkräfte, sich fortzubilden. Die Wissenschaftler schreiben auch, dass das Fortbildungssystem in Baden-Württemberg über keine systematische Qualitätssicherung verfügt, viele unterschiedliche Institutionen und Akteure beteiligt sind, die auf teils diffusen Wegen miteinander kommunizieren. Der Bedarf an zentral gesteuerten Fortbildungen und die Fortbildungsbedarfe an Schulen vor Ort wurden bislang nicht systematisch erhoben. Die Anzahl an Fortbildungen, die in den unterschiedlichen Regionen des Landes ausgebracht werden, variiert erheblich.
(22.01.2019, prh)
Studie zur Fortbildung von Lehrer*innen in Baden-Württemberg (PDF, 83 Seiten)