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Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt: Abschlussbericht mit Handlungsempfehlungen

Bildschirmarbeitsplatz mit Tabellen

Nach fast dreijähriger Arbeit hat die Enquete-Kommission »Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt« am 22. Juni 2021 ihren Abschlussbericht an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble übergeben. Der mit Anlagen mehr als 500 Seiten starke Bericht wurde mitsamt der Repliken und Gegenrepliken zu den Sondervoten zum Gesamtbericht und den einzelnen Kapiteln bereits Ende Mai einstimmig von dem Gremium beschlossen.

Die Vorsitzende des Gremiums, Antje Lezius (CDU), lobte bei der öffentlichen Vorstellung des Berichts im Berliner Paul-Löbe-Haus die konstruktive, fraktionsübergreifende Arbeit aller 19 Abgeordneten und 19 Sachverständigen in den mehr als 120 Sitzungen, auch nach der Umstellung auf die digitale Arbeitsweise.

Die mit der Digitalisierung verbundenen langfristigen Veränderungsprozesse betreffen etwa die Berufsbilder, die Anpassung von Ausbildungsordnungen aufgrund von veränderten Produktionsprozessen, aber auch den Einsatz von digitalen Medien in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, heißt es im Bericht. Mit Blick auf den Ausbildungsmarkt sei eine Stärkung der ausbildenden Unternehmen und der berufsbildenden Schulen zum Erhalt bestehender Ausbildungsverträge und der Ermöglichung neuer Ausbildungsangebote erforderlich. Für eine ausreichende Nachfrage gelte es, junge Menschen noch stärker auf die mit der beruflichen Bildung verbundenen Chancen auf eine zukunftssichere Beschäftigung und Einkommens- und Karriereperspektiven, die der akademischen Qualifizierung gleichwertig sind, hinzuweisen, schreibt das Gremium weiter.

Neben Erklärungen zum Auftrag und den Zielen der Kommission und Informationen zum Berufsbildungssystem in Deutschland bilden die Berichte der Projektgruppen die Grundlage der neun Kapitel. In zwei Phasen hatten sich die Abgeordneten und Sachverständigen aus Wissenschaft und Praxis mit den Themenbereichen »Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung für die berufliche Bildung«, »Anforderungen der digitalen Arbeitswelt an die Ausbildung im Betrieb und an die berufsbildenden Schulen«, »Weiterbildung, duales Studium und lebensbegleitendes Lernen«, »Attraktivitätssteigerung, Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit in der beruflichen Aus- und Weiterbildung«, »Zu- und Übergänge sowie Integration besonderer Gruppen« sowie mit der Finanzierung der Aus- und Weiterbildung befasst. Auch ein Kapitel zu den Erfahrungen und Erwartungen junger Menschen bei der Berufswahl ist Teil des Berichts. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie sind zudem Empfehlungen zum Umgang mit den Folgen der Krise aufgenommen worden.

In Ergänzung zur formalen und non-formalen Weiterbildung ist mit wachsender Bedeutung der Bereich der informellen Weiterbildung zu nennen, der alle Arten des ungeplanten oder impliziten Lernens (etwa aus Fachzeitschriften, aus innovativen Projekten am Arbeitsplatz, einem Qualitätszirkel, auf Messen oder dem Learning by Doing) umfasst, die zumindest durch Reflexion als Kompetenzerwerb nachvollzogen und ggf. auch im Nachgang dokumentiert oder anerkannt werden können. Dies führt zu dem Themenkomplex Anerkennung von non-formal und informell erworbenen Kompetenzen in der beruflichen Bildung, der allerdings auch den Komplex der Anerkennung von durch formale berufliche Bildung erworbene Kompetenzen auf akademische Studiengänge (und umgekehrt) ausdehnt.

Die berufliche Weiterbildung dient einerseits dem Ziel, aufbauend auf der Erstausbildung, einer Person neue Qualifikationen zu vermitteln oder bestehende zu erhalten bzw. aufzufrischen, um so nachhaltig ihre Beschäftigungschancen sicherzustellen und ein selbständiges Agieren auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Der Unterschied zwischen beruflicher Fortbildung und beruflicher Weiterbildung besteht darin, dass erstere häufig mit dem Erwerb von formalen Qualifikationen und Abschlüssen verbunden ist, während zweitere nicht zwangsläufig einer förmlichen Anerkennung oder eines bestimmten, festgelegten Curriculums bedarf.
Aus dem Abschlussbericht »Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt«

Stephan Albani (CDU) stellte für die Unionsfraktion einige der Empfehlungen wie etwa einen Pakt für digitale Bildung, Angebote für ortsunabhängige Bildung oder die Forderung, analog zum Deutschen Akademischen Austauschdienst, auch einen Beruflichen Austauschdienst zu schaffen, vor.

SPD-Obfrau Yasmin Fahimi verdeutlichte die gemeinsame Perspektive des Gremiums in Bezug auf die Bedeutung des Themas. Die Digitalisierung sei für ihre Fraktion weniger eine Frage technischer Prozesse als vielmehr eine Kulturfrage. Die Integrationskraft des vorbildlichen dualen Systems drohe ins Wanken zu geraten und müsse stabilisiert werden, sagte Fahimi. Zentral für sie seien etwa eine Ausbildungsgarantie, aber auch die digitale Lernmittelfreiheit.

Für die AfD-Fraktion betonte Nicole Höchst, dass es nicht auf die Technik und Endgeräte, sondern vielmehr den Umgang ankomme. Die technische und digitale Infrastruktur müsse vorhanden sein, aber die wichtige Person sei weiter der Lehrer. Eine größere Trennlinie in den Beratungen sei für ihre Fraktion die Frage nach der Passung auf dem Ausbildungsmarkt gewesen.

FDP-Obmann Jens Brandenburg sagte, beim Bericht handele es sich zwar um keinen »konsensualen Masterplan« für die nächsten zehn Jahre, er verdeutliche aber die unterschiedlichen Perspektiven. Seine Fraktion habe sich jedoch gewünscht, dass die Digitalisierung konsequenter in den Ausbildungsgängen verankert werde.

Birke Bull-Bischoff (Die Linke) sprach die Ausbildungsgerechtigkeit im Hinblick auf Menschen mit Lernschwierigkeiten oder mit Behinderungen an. Die Zahl von zwei Millionen Menschen auf dem Arbeitsmarkt ohne Berufsausbildung verdeutliche den großen Handlungsbedarf. Nötig seien mehr sozialpädagogische Begleitung, mehr Ressourcen und mehr Zeit in der Ausbildung.

Beate Wahler-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, der Prozess der Digitalisierung dürfe nicht bei Fragen der Technik stehen bleiben und müsse über das Bereitstellen von Infrastruktur hinausgehen. Sie verwies auch darauf, dass bei den Berufsschullehrkräften auf eine Mangel-Situation zugesteuert werde.


Hintergrund

Die im Juni 2018 vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission »Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt« hat den Auftrag, die Entwicklungsperspektiven der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der künftigen Arbeitswelt zu analysieren, die ökonomischen und sozialen Potentiale einer Modernisierung zu prüfen und daraus konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten. Die Enquete-Kommission setzt sich aus 19 Abgeordneten und 19 Sachverständigen aus Praxis, Verbänden und Wissenschaft zusammen.

  (23.06.2021, prh)

Zum Abschlussbericht (PDF, 543 Seiten)

siehe auch: Arbeitsauftrag der Enquete-Kommission (PDF, 4 Seiten)

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